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„An diesen Punkt will ich nie wieder kommen“

Corinna Brecht war drei Jahre obdachlos  und lebte am Frankfurter Flughafen.  „Lilith – Wohnen für Frauen“ half ihr wieder Fuß zu fassen. Heute hat die Mittvierzigerin wieder eine Wohnung und einen Job.

Wenn sie nach Hause geht, sieht sie ihn oft dasitzen: „Es ist immer der gleiche Mann vor der Bank in Bornheim“, sagt Corinna Brecht. Sie weiß wie es ist, ohne Obdach zu sein. Drei Jahre lebte die Mittvierzigerin in einem der Terminals am Frankfurter Flughafen. Mit zwei Rollkoffern, immer geschminkt, die Haare frisch gewaschen, fiel sie zwischen den Passagieren nicht auf.

Drei Euro am Tag fürs Leben
Mit drei Euro am Tag konnte sie leben, Brot, Wurst und Mineralwasser aus dem Supermarkt, warmer Kaffee aus dem Reisewasserkocher. Anderthalb Jahre ist das jetzt her. An die rund 60 Obdachlosen, die dauerhaft am Frankfurter Flughafen wohnen, denkt Corinna Brecht immer wieder: „Was machen die Leute jetzt in der Corona-Zeit, das ist ja furchtbar, ich bin froh, da weg zu sein und das nicht mehr mitzuerleben.“

„Ich will zurück ins normale Leben“
Corinna Brecht, die in Wirklichkeit anders heißt, sitzt an ihrem Küchentisch, das Gespräch läuft per Video. Den Flughafen verließ sie im August 2019 mit der Notambulanz. Ihr Bein war entzündet, sie hatte hohes Fieber. Während der vier Wochen im Krankenhaus beschloss sie, die Lethargie, die Routine am Flughafen hinter sich zu lassen: „Ich muss zurück ins normale Leben.“

Lilith – Wohnen für Frauen hilft
Bei „Lilith – Wohnen für Frauen“ der Diakonie konnte sie zum ersten Mal seit langem wieder ihre Zimmertür schließen, sich zurückziehen. Gemeinsam mit Mehri Farzan, der damaligen Leiterin, entwarf sie einen Wochenplan: Arztbesuche vereinbaren, Anträge beim Jobcenter stellen, sich bei Wohnungsbaugesellschaften registrieren. Nach einem Jahr gelang der Sprung in die eigene Wohnung: „Das ist nochmal ein anderer Grat von Privatsphäre, wir waren bei Lilith eine gute Wohngruppe, aber die Leute haben trotzdem unterschiedliche Vorstellungen von einem sauberen Bad.“

Alltag bewältigen
Und wie klappt das selbstständige Leben? „Solange die Bücherei offen hatte, war ich viel dort. Meine Einkäufe habe ich mir so eingeteilt, dass ich nicht alles auf einmal besorgt habe, sondern jeden Tag einmal rausmusste.“ Ehrenamtlich engagierte sie sich ebenfalls in einem festen Team, das sie bis heute verstärkt.

Erfolgreiche Jobsuche
Und ein Job? Das fehlte Corinna Brecht noch, um einstigen Freunden und ihrer Mutter gegenüber „wieder vorzeigbar“ zu sein. Auch dieses Ziel hat sie erreicht, vor einigen Monaten begann ihre Arbeit als Verwaltungskraft beim Diakonischen Werk für Frankfurt und Offenbach. „Ich war so lange draußen aus dem Berufsleben, mir fehlte die Bestätigung, dass ich etwas kann, auch wenn ich es mir zutraute.“ Der glatt laufende Wiedereinstieg gab Brecht einen „Kick nach oben“. Buchführung, einmal von A-Z gelernt, „das verlernt man nicht wieder.“

Eigenes Geld verdienen
In ihrem alten Beruf arbeitete Corinna Brecht bis zum Burnout. 200 E-Mails am Tag, Verantwortung für ein zehnköpfiges Team, nie abschalten können, selbst abends noch ansprechbar für die Kunden. „Bei der Diakonie bleibt der Job im Büro,“ sagt Brecht zufrieden. Na klar gibt sie auch hier 100 Prozent, tippte ein eigenes Handbuch, um alle Prozesse gut zu erfassen, kein Wunder, dass sie im Team sehr geschätzt ist. Brecht spricht überlegt, offen. „Das erste Gehalt war sehr schön, meine Miete kann ich jetzt selber zahlen.“ Ihre Schulden werden bald abbezahlt sein, ihre Schufa „sieht phantastisch aus, die ist clean“.

„Nicht den Kopf in den Sand stecken“
Ob sie sich ihre drei Jahre in der Obdachlosigkeit verzeiht? „Ja“, sagt Brecht sofort, „es hat keinen Sinn zu grübeln was wäre wenn.“ Nach dem Burnout hatte Brecht ein neues Großprojekt übernommen, diesmal als Selbstständige. Alles lief gut an, aber dann kam ein Riesenärger mit dem Finanzamt, Konten gesperrt, Mietrückstände, Räumungsklage. Obwohl das Sozialamt ihr noch eine andere Unterkunft vorschlug, ergriff Brecht Hals über Kopf die Flucht, ließ den Brief mit dem Wohnungsangebot ungeöffnet liegen: „Mir wurde das alles zuviel, ich war so überfordert, ich packte zwei Koffer und bin gegangen.“ Heute weiß sie: „Es ist wichtig, den Wohnungsverlust zu vermeiden, den Kopf nicht in den Sand zu stecken.“ Falls mal wieder was schiefläuft, will sie es anders machen: „Auf alle Fälle will ich an diesen Punkt nie wieder kommen.“

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