image Foto: Peter Weidemann

Der 29-jährige Johannes Kipping ist ehrenamtlicher Notfallseelsorger.

Die Kirche muss den Menschen helfen, sonst macht es keiner

Johannes Kipping engagiert sich ehrenamtlich bei der Notfallseelsorge Frankfurt

Die lila Weste mit dem Logo der Notfallseelsorge überziehen, auf den Wagen mit Blaulicht warten, einsteigen, losfahren. Johannes Kipping, 29, ehrenamtlicher Notfallseelsorger, kennt diese Situation seit zwei Jahren. Die Polizistinnen und Polizisten, die ihn abholen, sind manchmal genauso jung wie er.  Zusammen fahren sie zum Einsatzort, wissen beide um das Leid im Alltag. Für einen Moment verbindet sie das, „wir sind auf Augenhöhe, es gibt eine große Wertschätzung und das finde ich sehr schön.“
Johannes Kipping ist nicht von ungefähr Notfallseelsorger geworden. „Ich bin kirchlich sozialisiert“, sagt er, und: „Katastrophen passieren öfter“.  Mit 25 Jahren bewarb er sich für das Ehrenamt in der Notfallseelsorge: „Ich kann gut mit Leuten reden und Erste Hilfe für die Seele finde ich sehr wichtig.“
Gut 100 Stunden für die Grundausbildung seien „schon eine zeitliche Investition“. Aber Kipping kann dies mit seinem Studium der Katholischen Theologie gut vereinbaren. 

Drei Polizisten in voller Montur
Manchmal sind sich Angehörige uneins, ob die Notfallseelsorge kommen soll oder nicht. „Die Wahrnehmung ist da unterschiedlich. Anfangs hören wir manchmal ‚eigentlich brauchen wir Sie nicht.‘“ Kipping schildert wie es ist, wenn er in eine Wohnung kommt, wo gerade der Ehepartner ganz unerwartet verstorben ist: „Da stehen dann drei Polizisten in voller Montur, der Rettungsdienst ist da und das alles in einer engen Wohnung, das wird ja der härtesten Seele zu viel“. Am Einsatzort empfindet sich der Notfallseelsorger deshalb oft als Diplomaten: „Wir müssen den Angehörigen viel erklären, zum Beispiel, was genau bei einem Polizeieinsatz passiert.“ Und: „Mir ist es ein Anliegen, dass die Angehörigen nicht ganz alleine sind.“
Es geht ihm vor allem darum, „Menschen in ernsten Krisensituationen zu helfen, wenn sie sich von der Welt und von Gott verlassen fühlen.“ Von Gott? „Die Frage nach Gott und Co kommt“, sagt Kipping. 

Was eine Notfallseelsorger:in mitbringen sollte
Wer sich für das Ehrenamt in der Notfallseelsorge interessiert, sollte „Ruhe, Einfühlsamkeit, Empathie“ mitbringen. Denn „der Einsatz ist anstrengend. Es sind ziemlich viele Akteure da und wer am lautesten schreit, ist nicht unbedingt der, der Hilfe braucht.“ Der 29-Jährige richtet seine Aufmerksamkeit besonders auf die Stillen – auf die kleine Schwester, die nichts sagt oder auf die Mutter, die zehn Tassen Kaffee kocht und dann zusammenbricht, wenn alle gegangen sind. „Wenn das Adrenalin weg ist, dann kommt es,“ weiß Kipping. Offenheit sollten Notfallseelsorger:innen ebenfalls mitbringen und die Themen Tod und Krise sollten ihnen nicht fremd sein. Eine gewisse Standfestigkeit ist auch vonnöten: „Wir müssen auch Interessen von Angehörigen vertreten, wir sollten in den Raum kommen und vertrauenswürdig sein.“
Mit einem guten Grundgerüst geht es in die Einsätze. „Sie sind immer unterschiedlich, man weiß nie, was einen erwartet. Zwar gibt uns die Leitstelle Informationen, aber die Situation kann sich bis zu unserem Eintreffen schon weiterentwickelt haben.“
Was ihn motiviert? „Menschen gehen mit Krisen unterschiedlich um. Aber sie brauchen Seelsorge und sie brauchen auch die Kirche. Gerade in Krisen denken manche, warum ich? Warum ist die Welt gegen mich und warum ist Gott gegen mich?“ In solchen Fällen, sagt Kipping, muss Kirche zur Stelle sein. „Dafür studiere und kämpfe ich. Da muss Kirche ein Angebot machen und da sein. Sie muss den Menschen helfen, weil sonst macht das keiner.“

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