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Frankfurter Jüdische Gemeinde, Caritas und Evangelischer Regionalverband im Gespräch
„Wir sind tief beunruhigt“, eröffnete Diakoniepfarrer Markus Eisele das gemeinsame Gespräch von Jüdischer Gemeinde Frankfurt, der Caritas Frankfurt und dem Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach mit Vertretern der Presse, „angesichts der aktuellen politischen Lage und einem immer weiter auseinanderklaffenden Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“ Das rauer werdende Klima im Wahlkampf hat die drei großen Religionsgemeinschaften veranlasst, sich noch einmal öffentlich für einen gelingenden Zusammenhalt in unserer Gesellschaft einzusetzen.
„Mit Corona, dem Ukraine-Krieg und der folgenden Inflation haben wir als Gesellschaft drei große Krisen erlebt“, so die Caritas-Direktorin Gaby Hagmans. „Armutsphänomene und Gewaltexzesse sind gewaltig gestiegen, die existenzielle Angst ist größer geworden. In der Sehnsucht nach einfachen Lösungen in einer komplexer werdenden Welt, werden Schuldige gesucht.“ Das spürt auch die Jüdische Gemeinde in Frankfurt, wie Vorstand Boris Milgram bestätigt. „Seit dem Krieg gegen die Hamas in Gaza leben alle Mitglieder unserer Gemeinde in Angst und trauen sich nicht mehr mit jüdischer Kleidung auf die Straße.“ Hasserfüllte Parolen gegen Juden, gegen Israel, aber auch gegen Migranten werden immer lauter.
Alle drei verurteilen diese Entwicklung. „Es ist unser Anliegen, dafür Sorge zu tragen, dass der Zusammenhalt gelingt.“ Die Wohlfahrtsverbände wünschen sich eine Rückkehr zu einem sachlich geführten Diskurs. Dabei stellen sie die Nächstenliebe und die universelle Würde eines jeden Menschen in den Mittelpunkt, Werte die auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert sind. „Menschlichkeit ist wichtig!“, fasst es Boris Milgram zusammen.
Auch die Wohlfahrtsverbände stehen unter Druck, da Sozialausgaben erheblich gesunken sind und wohl auch weiter sinken werden, so die Befürchtung. Demokratiebildung, Teilhabe und Integration könnten aber gelingen, wenn beispielsweise Mittel für Sprachkurse, schnellere Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen oder ausreichend Therapieplätze für psychisch erkrankte Menschen bereitgestellt werden.
Das Wohl unserer Gesellschaft hänge auch davon ab, radikalen Rändern nicht allein die Bühne zu überlassen. „Wir müssen Haltung zeigen!“, so Gaby Hagmans „und wenn wir auf Parolen einfach nur antworten: Ìch teile deine Meinung nicht!‘.“ „Menschlichkeit sollte wieder der wichtigste Wert in unserer Gesellschaft werden“, ergänzt Boris Milgram.
Mit nachdenklichen Worten eröffnete Stadtdekan Holger Kamlah die erste Tagung der Stadtsynode der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach im neuen Jahr. Im Mittelpunkt stand der Umgang mit der ForuM-Studie, die Ende Januar 2024 an die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland übergeben worden war. Die unabhängige wissenschaftliche Studie beleuchtete erstmals das Thema sexualisierte Gewalt und Missbrauch in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland. Die ForuM Studie habe der Evangelischen Kirche einen Spiegel vorgehalten, weil lange geglaubt wurde, „dass es kein Problem unserer Kirche“ sei, so der Stadtdekan. Die Ergebnisse der ForuM-Studie legten ein jahrzehntelanges Versagen der Evangelischen Kirche und der Diakonie auf allen Ebenen und in allen Landeskirchen offen. Betroffene Personen wurden nicht gehört, Taten nicht aufgearbeitet, Täter geschützt und Verantwortung nicht übernommen. Sexualisierte Gewalt gehört zur Realität unserer Kirche und unserer Diakonie. „Wir müssen lernen, dass diese Wunde immer offen bleibt“, so Kamlah. „Aufarbeitung und Prävention tun bitter Not!“
Projektgruppe stellt eigenen Bericht auf der Stadtsynode vor Als Reaktion auf die Studie haben der Evangelische Regionalverband und das Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach vor einem Jahr eine Projektgruppe unter der Leitung von Petra Hofmann (Kompetenzzentrum Traumapädagogik. Kinderschutz. Systemisch.) beauftragt, die Ergebnisse der Studie zu analysieren und mit der Situation im Evangelischen Regionalverband und Stadtdekanat abzugleichen. Der Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe wurde während der Stadtsynode den Delegierten von Pfarrer Gunter Volz, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach, Monika Heil, Qualitätsmanagementbeauftragte im Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach (ERV), Marko Schäfer, Präventionsbeauftragter und Referent im Stadtjugendpfarramt, vorgestellt.
Eine Kulturänderung ist nötig Das Ergebnis zeigt, dass sexualisierte Gewalt in vielen Kirchengemeinden und Einrichtungen noch nicht ausreichend thematisiert wird. Eine Ausnahme bildet der Bereich der Evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder, dort sind umfassende Gewaltschutzkonzepte bereits vorhanden und es wurden Fortschritte erzielt. In vielen anderen Bereichen herrscht hingegen noch die Vorstellung, dass „das bei uns nicht passiert“, heißt es in dem Bericht. Er kommt zu dem Schluss, dass der Handlungsbedarf häufig erst dann als akut wahrgenommen wird, wenn ein konkreter Verdachtsfall auftritt. Doch es braucht in allen Kirchengemeinden und Einrichtungen eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt, um eine Kulturänderung einzuleiten.
Das Unsagbare sagbar machen Die Projektgruppe hat eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet, um diesem Missstand entgegenzuwirken: Es braucht gezielte Maßnahmen, um das „Unsagbare sagbar zu machen“ und eine umfassende Sensibilisierung für (sexualisierte) Gewalt, Macht- und Abhängigkeitsstrukturen auf allen Ebenen verpflichtend und regelmäßig zu thematisieren. Ebenso muss die Auseinandersetzung mit Täterstrategien ein fester Bestandteil der Schulung werden. Dazu gehören unter anderem das Erkennen von Manipulation, Machtmissbrauch, das Einfordern von Gehorsam, das Schaffen von Geheimnissen, Einschmeicheln, Sonderbehandlungen, schrittweise Grenzüberschreitungen, Drohungen, Schuldzuweisungen, Verschleierung und Vertuschung, sowie das Diffamieren und Bloßstellen von Opfern. Ebenso wichtig ist es, die Glaubwürdigkeit der Betroffenen nicht in Frage zu stellen und die Verharmlosung von Taten zu verhindern. Dazu schlägt die Gruppe den Aufbau eines systematischen Wissens- und Kompetenzmanagements vor, die Einrichtung einer Fach- und Koordinierungsstelle Gewaltschutz sowie die flächendeckende Einführung eines Qualitätsmanagements.
Entschiedenes Handeln auf Leitungsebene Die größten Herausforderungen für den Evangelischen Regionalverband und das Stadtdekanat sind, flächendeckend Wissens- und Schutzstrukturen zu etablieren und die Gefährdungspotenziale klar zu benennen. „Als Verantwortliche ist uns klar, dass es entschiedenes Handeln auf oberster Leitungsebene geben muss“, so Stadtdekan Holger Kamlah. „Und dem stellen wir uns!“
Synode beschließt Maßnahmenpaket Die Stadtsynode der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach hat daraufhin ein Maßnahmenpaket zum Thema „sexualisierte Gewalt“ beschlossen. Der Vorstand von Stadtdekanat und Evangelischem Regionalverband wurde in dem Beschluss beauftragt, „dafür Sorge zu tragen, dass die Empfehlungen des Berichts in enger Abstimmung mit Betroffenenvertreter:innen und den beauftragten Stellen in Kirche und Diakonie umgesetzt werden“.
Crespo Foundation fördert Chancen von Kids und Jugendlichen in Preungesheim
Marilea lässt Teigfäden in die Pfanne gleiten, rührt um, damit sie nicht anbrennen. Ihr Bruder Leo packt Blockschokolade in heißes Wasser. Heute wollen die Geschwister zusammen mit anderen Dubai-Schokolade machen. Ilknur Aydemir begleitet die Aktion in der Küche der Ambulanten Hilfen zur Erziehung in Alt-Preungesheim.
Wer hat schon einen Garten In der Turnhalle, ein Stockwerk tiefer, stehen bemalte Seifenkisten. 15 Kids und Jugendliche im Alter von sechs bis 16 Jahren bauten sie zusammen. Leo und Marilea machten mit, sortierten Schrauben, arbeiteten mit Werkzeug, setzten über Wochen einen Plan in die Wirklichkeit um. Auch in den Herbstferien im Taunus waren die Geschwister dabei, pflückten mit Erlebnispädagog:innen Äpfel und pressten Saft, kochten Gemüsesuppe über offenem Feuer. „Für viele Kids und Jugendliche aus dem Frankfurter Norden gehört das nicht zum Alltag“, erzählt Diplom-Sozialpädagogin Ilknur Aydemir, „wer hat schon einen Garten? Das sind Erlebnisse, die bleiben.“ Möglich wurde all dies und noch viel mehr dank einem großzügigen Fördertopf der Crespo Foundation.
Foto: Gesellschaft Erziehung und Elternarbeit.
50.000 Euro Fördermittel im Jahr 2024 Die Frankfurter Stiftung rief 2022 ihren Fördertopf „Förderung von Chancengerechtigkeit für Kids und Jugendliche“ ins Leben. Die Förderung begleitet und unterstützt die Arbeit des „fliegenden Künstler:innenzimmers“, das im Frühjahr 2023 auf dem Gravensteiner Platz „gelandet“ ist. Jeweils 50.000 Euro umfasst der Fördertopf der Crespo Foundation in den Jahren 2022, 2023, 2024 und 2025. Das Quartiersmanagement der Diakonie Frankfurt und Offenbach im „Frankfurter Programm –Aktive Nachbarschaft“ verwaltet den Fördertopf, berät Initiativen und Vereine bei den Projektanträgen, bewilligt diese und wickelt sie ab. „Ergänzend zum fliegenden Künstler:innenzimmer liegt der Fokus des Fördertopfes weniger auf der kulturellen Bildung als auf den drängenden sozialen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil, wie beispielsweise Lernräumen oder Feriencamps. Das Quartiersmanagement vor Ort kennt die Bedarfe im Stadtteil genau und kann den Fördertopf daher partizipativ und niedrigschwellig verwalten“, sagt Professorin Christiane Riedel von der Crespo Foundation.
Manche reisten erstmals in eine andere Stadt „Viele Menschen haben noch weniger im Geldbeutel als in den Jahren zuvor. Dazu kommt, dass viele soziale Träger mit gestiegenen Kosten und knappen finanziellen Mitteln zu kämpfen haben. Da ist die Unterstützung von Seiten der Crespo Foundation nicht hoch genug zu bewerten “, sagt Oliver Fassing, Quartiersmanager der Diakonie Frankfurt und Offenbach. Und er zählt auf: Die Preungesheimer Arbeitsgemeinschaft Anti-Rassismus wurde unterstützt, Besuche von Jugendlichen und Familien bei der Frankfurter Buchmesse, Tagesfahrten für Familien nach Brüssel, Koblenz oder Köln – manche Familien konnten zum ersten Mal in eine andere Stadt reisen, sagt Oliver Fassing. Auch ein Sprachcafé im StadtRaum des Quartiersmanagements wurde gefördert, eine Schifffahrt für Frauen, Nachhilfe sowie ein Erste-Hilfe-Kurs für Eltern: „In Preungesheim kann dadurch wirklich was bewegt werden“, erklärt Fassing.
Druck durch Schule und Familien Ein weiteres gefördertes Projekt: Empowerment für Mädchen im Alter von zwölf bis 16 Jahren in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Alt-Preungesheim. Viele junge Mädchen „leiden unter sozialen Ängsten, Druck durch Schule und Familie, einer beginnenden Depression“, sagt Claudia Goertz, die Leiterin der Beratungsstelle. 2022 konnte eine zweite Mädchen-Gruppe starten, der Bedarf war gerade nach Corona hoch. „Es ist sehr berührend mitzuerleben, wie sich die Mädchen verändern und entwickeln“, sagt Goertz. Sie ist sehr froh über die Unterstützung der Crespo Foundation und des Quartiersmanagements.
Bogenschießen und im Kletterwald balancieren Von den tollen Projekten, die dank der Crespo-Förderung ausgebaut werden konnten, „profitiert die ganze Familie“, sagt Ilknur Aydemir von den Ambulanten Hilfen zur Erziehung. Und: „Darunter sind Familien, die in Trennung leben, geflüchtet oder erkrankt sind. „Wenn andere Kinder von ihren Ferien an der Ostsee erzählen, können unsere Kinder, die sonst nie in Urlaub fahren, sagen: ‚Ich war Bogenschießen, habe eine Seifenkiste gebaut und ich war im Kletterwald.‘“
Abschiebungsbeobachtung besucht Lehrgang der Bundespolizei
Wie gehen Bundespolizistinnen und -polizisten während Abschiebungen auf dem Luftweg mit abgelehnten Asylsuchenden um? Einen Einblick gewannen die Abschiebungsbeobachter:innen am Flughafen Frankfurt Melisa Ergül-Puopolo, Diakonie Frankfurt und Offenbach und Finn Dohrmann, Caritasverband für die Diözese Limburg, während eines Lehrgangs im Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei in Walsrode. Sie erlebten zwei Tage lang mit, wie die Bundespolizei Beamtinnen und Beamte auf begleitete Rückführungsmaßnahmen vorbereitet.
Um Abschiebungen auf dem Luftweg zu begleiten, müssen Angehörige von Behörden, meist ist dies Bundes- und Landespolizei, eine dreiwöchige Fortbildung absolvieren. Die Ausbildung wurde konzipiert, nachdem 1999 die Abschiebung des aus dem Sudan stammenden Aamir Ageeb mit dessen Tod endete.
Während des Lehrgangs übten Polizistinnen und Polizisten beispielsweise die deeskalierende Kommunikation zu den Rückzuführenden und das Kapitänsgespräch. Das Kapitänsgespräch war für die Abschiebungsbeobachtung besonders aufschlussreich, denn ihre Beobachtung endet mit dem Einstieg ins Flugzeug, so dass sie das Gespräch mit dem Flugkapitän nicht beobachten können. Beim Lehrgang erfuhren Melisa Ergül-Puopolo und Finn Dohrmann erstmals, wie die Ausbilder den Umgang der Polizistinnen und Polizisten mit Kapitän und Crew schult und worauf es ihnen dabei ankommt.
Die Abschiebungsbeobachtung erhielt auch Zeit für einen kurzen Vortrag, um ihre Aufgaben darzustellen. „Wir haben unseren Wunsch zum Ausdruck gebracht, gut mit den Beamtinnen und Beamten zusammenzuarbeiten“, sagt Melisa Ergül-Puopolo. „Es war ein offener Austausch möglich, in der auch Vorurteile der Polizeikräfte ernstgenommen und diskutiert werden konnten“, ergänzt Finn Dohrmann.
Foto: Bundespolizei
Sozialministerin übergibt im Nachbarschaftsbüro Fechenheim einen Förderbescheid für die Gemeinwesenarbeit
Die Hessische Ministerin für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales (HMSI), Heike Hofmann, übergab am 23. Februar im Nachbarschaftsbüro in Alt-Fechenheim einen Bescheid in Höhe von bis zu 307.000 Euro für die Stadt Frankfurt. Mit dem Geld soll die Gemeinwesenarbeit in Fechenheim und dem Gutleutviertel gefördert werden. Nanine Delmas, Leiterin des Jugend- und Sozialamtes, nahm für die Stadt den Bescheid entgegen. An ihrer Seite fanden sich Vertreter der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Diakonie Frankfurt und Offenbach. Die AWO betreibt im Gutleutviertel ein Nachbarschaftsbüro, die Diakonie eines mit zwei Standorten in Fechenheim.
Henrik Philipsen, der bei der Diakonie als Bereichsleitung für das Quartiersmanagement zuständig ist, würdigt die Förderung durch das Land: „Die Diakonie freut sich über die Wertschätzung der hessischen Landesregierung, die mit der Förderung der Gemeinwesenarbeit im Stadtteil Fechenheim zum Ausdruck kommt. Sie leistet damit einen wertvollen Beitrag, Herausforderungen wie sozialer Ungleichheit, Armut, mangelnden Bildungschancen, Segregation und Isolation im Nachbarschaftsraum zu begegnen.“
Ministerin will hören, was im Quartier los ist Die Ministerin war nicht nur zur Übergabe des Förderbescheids gekommen, sondern wollte auch wissen, was in den Quartieren los ist. Im Gespräch mit den Vertreter:innen der Stadt, der Träger der Nachbarschaftsbüros und den Quartiersmanager:innen kristallisierten sich schnell zwei Schwerpunkte heraus: der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft sowie die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt.
Ministerin Hofmann (li.) im Gespräch mit den Vertreter:innen der Stadt, der Träger der Nachbarschaftsbüros und den Quartiersmanager:innen.
Nikolaos Tsakmakis, der mit einer Kollegin Quartiersmanager in Fechenheim ist, berichtete von Bedrohungen und Anfeindungen von rechts. „Hier in Fechenheim haben Menschen Angst, ihre Meinung zu sagen, oder sie trauen sich nicht, über Missstände zu reden.“ Eine Initiative, die sich gegen den Autobahnausbau bei Fechenheim und für den Erhalt eines Waldes einsetzt, habe Drohschreiben erhalten. Eine Tafel, die an die Deportation von Sinti und Roma im Dritten Reich erinnert, sei beschmiert worden. Auch die Ortsgruppe der „Omas gegen Rechts“, die mit dem Nachbarschaftsbüro kooperiert, würde angefeindet.
Menschen schützen, die sich für die Demokratie einsetzen Tsakmakis und seine Kollegin Friederike Weyh aus dem Gutleutviertel betonten beide die Bedeutung der Beziehungs- und Vernetzungsarbeit in den Quartieren, besonders dort, wo Menschen aus vielen Kulturen leben und unterschiedliche Sprachen sprechen. Die Quartiermanagements arbeiteten daran, Menschen zusammenzubringen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. So würden auch gegenseitige Vorurteile abgebaut. Mit Ministerin Hofmann waren sich alle Gesprächspartner:innen einig, dass Projekte zur Demokratie unverzichtbar sind und Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen, geschützt werden müssen.
Freilich braucht es dazu Begegnungsräume. Die fehlten in den Quartieren. „Im Gutleutviertel gibt es keine Räume, wo man sich kostenfrei treffen kann“, beklagte Friederike Weyh. In Fechenheim wird die sozialräumliche Benachteiligung anhand der verkehrsbedingten Trennung des Stadtteils in Nord und Süd besonders deutlich, die es den Bewohner*innen erschwert, zueinander zu finden. „Doch es braucht Plätze für die Gemeinschaft und Gelegenheiten, sich zu treffen“, bekräftigte Nikolaos Tsakmakis. Gibt es erst einen solchen Ort, so seine Erfahrung, würden sich die Leute gut um die Ordnung, Sauberkeit und die Organisation kümmern.
Menschen mit geringem Einkommen finden keine Wohnung Große Sorgen bereitet auch die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Einerseits würden Menschen mit geringem Einkommen kaum bezahlbare Wohnungen finden, andererseits gebe es Leerstand, der als Kapitalanlage dient. „Wir wissen von einer Räumungsklage gegen einen 80-Jährigen, der seit Jahren in der Wohnung lebt“, sagte Sozialamtsleiterin Delmas. Die Politik müsse sich des Wohnproblems endlich annehmen, forderten die Gesprächspartner:innen der Ministerin unisono. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum nannte Hofmann dann auch „die zentralste soziale Frage der Zeit“. Sie sei selber über den Rückgang des sozialen Wohnungsbaus unzufrieden. Hier müsse sich in der Tat etwas ändern, sagte die Ministerin und verwies darauf, dass ein Gesetz zum Wohnungsleerstand in Arbeit sei.
Am Ende des Gesprächs zeigte sich Heike Hofmann bewegt. „Wir brauchen Zuversicht“, sagte sie und dankte den Quartiersmanger:innen und den Trägern der Nachbarschaftsbüros für die wertvolle Arbeit in den Quartieren. „Hier wird schon an einer besseren Gesellschaft gearbeitet“, unterstrich die Ministerin.
Webseite des Quartiersmanagements Fechenheim
Delegation aus den USA besucht Einrichtungen der Diakonie in Frankfurt
Die Vorbereitungen für die feierliche Amtseinführung der neuen Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Prof. Christiane Tietz, am Sonntag, 26. Januar, sind im vollen Gange. Besucher aus allen Teilen der Welt werden beim Festgottesdienst dabei sein, denn seit vielen Jahren unterhält die EKHN offizielle Partnerschaften zu Kirchen in Afrika, Asien, Europa und den USA. Herzlich begrüßte Holger Kamlah, Stadtdekan der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach, die aus dem US-Bundestaat New York angereiste Rev. Dr. Marsha Williams und ihren Stellvertreter Rev. Ryan. W. Henderson von der United Church of Christ. Sie verbindet eine lange enge Freundschaft. Rev. Marsha Williams ist Conference Minister der New York Conference der United Church of Christ, was der Größe einer Landeskirche entspricht.
Einblicke Im Frankfurter Bahnhofsviertel Im Vorfeld des offiziellen Delegationstreffens wollten die beiden US-amerikanischen Glaubensgeschwister einen Einblick in die diakonische Arbeit in Frankfurt und Offenbach nehmen. Der Theologische Geschäftsführer des Evangelischen Regionalverbandes Markus Eisele freute sich deshalb, Williams und Henderson gemeinsam mit Stadtdekan Holger Kamlah das Diakoniezentrum WESER 5 im Frankfurter Bahnhofsviertel und die Übergangsunterkunft für Geflüchtete Sportfeld Edwards im Frankfurter Norden zeigen zu können.
Gute Arbeit, super organisiert Das breite Angebotsfeld unter einem Dach im Diakoniezentrums WESER 5 – von Streetwork, Tagestreff und Beratung bis zu Notübernachtungsplätzen und stationärem Wohnen für wohnungslose Menschen, überwältigte die beiden Gäste. „Mind-boggling“, war der Ausdruck, den Marsha Williams immer wieder hervorbrachte: „Einfach überwältigend zu sehen, welche Arbeit in diesem Umfang, so gut organisiert, geleistet wird.“ Im Vergleich dazu erscheinen der Conference Minister der New York Conference der United Church of Christ die Vereinigten Staaten wie ein Dritteweltland. Ein reiches Land wie die USA überlässt die so dringend erforderliche Sozialarbeit kirchlichen und freiwilligen Organisationen – ohne jede Aussicht auf eine Refinanzierung.
Wer Immigranten hilft, tut es freiwillig Auch der Besuch in der Übergangsunterkunft „Sportfeld Edwards“, in der mehr als 200 Geflüchtete leben, bestaunten die Gäste mit großen Augen. „Auch wenn es“, so Rev. Ryan Henderson, „sichere Bundesstaaten in den USA für Immigranten gibt, so ist jede Hilfe und Unterstützung immer vom Engagement der Bürger:innen vor Ort in den Städten und Dörfern abhängig. In einem Land, das von Einwanderern aufgebaut wurde, verstehe ich nicht, warum es nicht ähnliche Angebote wie hier in Deutschland geben kann.“
Diakonie-Mitarbeiter Ammar A. hat sich für Frankfurt entschieden
Ammar A. hält einen zusammengerollten Zettel in der Hand. Darauf hat der Mann, der als Sozialhelfer in einer Unterkunft für Geflüchtete in Niederrad arbeitet, Gedanken zur Lage in Syrien aufgeschrieben. Konzentriert erzählt er zunächst von seiner Flucht 2015 und vom „extremen Krieg“, der in seinem Land bis zum Sturz Assads herrschte. Schildert Wege, die er nahm, und die Flucht in einem Boot von der Türkei nach Griechenland, mit 37 Personen, darunter Kinder und Schwangere. „Ich weiß nicht, wie ich das gemacht habe“, sagt Ammar A. und seine Augen verdunkeln sich für einen Moment. Heute ist der Jurist aus Aleppo selbst Vater, hat seit einem Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft und arbeitet seit fast sechs Jahren in der Unterkunft „Am Poloplatz“ der Diakonie Frankfurt und Offenbach. Für den Anfang ist das „super“, als Sozialhelfer unterstützt er die Bewohner: innen in jeder Beziehung: „Ihnen zu helfen ist sehr schön, als ich nach Deutschland kam, habe ich auch Hilfe bekommen.“
Ich war wie neu geboren als ich nach Deutschland kam Der 37-Jährige ist einer der syrischen Mitarbeitenden der Diakonie, die ihr Leben, das sie sich in Deutschland aufgebaut haben, nicht mehr missen möchten. „Ich war wie neu geboren als ich ankam und ich bin dankbar, weil Deutschland mir viel angeboten hat,“ sagt Ammar A. Durch die Arbeit und die Integration „bin ich Deutscher geworden“. Sprache lernen, Mentoring-Programm, Praktika, Hospitationen, Teilnahme an einem EU-geförderten Programm für Juristen, die nicht in Deutschland studierten. Untergebracht erst in einer Sporthalle, dann in einer Übergangsunterkunft und inzwischen in der eigenen Wohnung. Erfolgreich kämpfen um das Recht, bleiben zu dürfen, die Zeugnisse anerkannt zu bekommen, weitere Sprachkurse zu machen. Aber auch die Erkenntnis, dass es nach neun Jahren in Deutschland „sehr schwer ist, als Jurist zu arbeiten, ich muss die Sprache noch mehr beherrschen.“
Die Mutter wiedersehen – nach so vielen Jahren Wie es ihm ging, als vor wenigen Wochen der Diktator und Menschenschlächter Assad gestürzt wurde? Zum ersten Mal während des Gesprächs überstrahlt ein glückliches Lächeln das ganze Gesicht von Ammar A. „Wir konnten es nicht glauben, wir sind glücklich, es kam alles so schnell und so überraschend.“ Auch wenn unklar ist, wie es weitergeht, die Lage kompliziert und die Herausforderungen riesig sind: „Wir Syrer haben jetzt ein Heimatland, ich habe ein Land, ich bin aus Syrien.“ Durch den Krieg, sagt der 37-Jährige, „haben wir unsere Werte verloren, Millionen Syrer standen vor der Frage, ‚entweder lasse ich mich töten oder ich fliehe‘.“ Ammar A. erinnert sich gut, wie schwierig die Entscheidung war, das Land zu verlassen: „Die Orte der Kindheit und alles, was ich in diesem Land erlebt habe, war weg.“ Seine Familie blieb in Syrien, bis auf einen Bruder. Ammar A. hat sich definitiv für Deutschland entschieden. Aber er freut sich unbändig darauf, nach Syrien zu reisen, falls das tatsächlich möglich wird: „Ich habe meine Mutter seit zehn Jahren nicht gesehen.“
Ich wünsche mir Politiker mit Anstand Drei Fragen an Markus Eisele, Theologischer Geschäftsführer des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach
1. Wie war Ihre Reaktion, als Sie vom Sturz des syrischen Diktators Assad hörten? Ich konnte es kaum glauben, so schnell fiel das korrupte Kartenhaus zusammen. Ich freue mich, dass die internationale Gemeinschaft schnell reagiert hat und das Land hoffentlich in eine gute Zukunft geht.
2. Sehr schnell wurden in Deutschland Stimmen laut, die das Aufenthaltsrecht syrischer Geflüchteter hierzulande infrage stellten… Was für eine Niedertracht, mit der hier einige im Wahlkampf schnelle Punkte machen wollten! Abschieben in ein Land, das von Krieg und Terror gezeichnet ist, in dem eine bislang islamistische Miliz herrscht und wo die, die mit Willkür und Folter geherrscht haben, doch nicht einfach weg sind! Ich wünsche mir Politiker mit Anstand, die keine populistischen Phrasen raushauen, sondern mit Herz, Verstand und Augenmaß auf neue Situationen reagieren.
3. Auch im Evangelischen Regionalverband, vor allem in diakonischen Einrichtungen, arbeiten Syrerinnen und Syrer, was wünschen Sie Ihnen? Wie froh können wir sein, dass Syrer:innen gut integriert bei uns arbeiten. Übrigens sind viele schon lange vor dem Bürgerkrieg zu uns gekommen und haben sich hier gut eingebracht in Wirtschaft und Gesundheitssystem. Ihnen mit Abschiebung zu drohen, ist falsch. Es verdient aber alle Unterstützung, wenn zum Beispiel deutsch-syrische Ärzte und Apotheker:innen jetzt für eine Weile im Gesundheitswesen in Syrien helfen und damit die Zukunft in Syrien positiv gestalten. Noch etwas Grundsätzliches: Die ausländerfeindlichen Parolen verunsichern auch bestens integrierte Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Immer wieder höre ich die Frage: ‚Bin ich hier noch erwünscht und sicher oder sollte ich besser aus Deutschland wegziehen?‘ Der zunehmende Rassismus bei uns ist unerträglich und nicht zu tolerieren.
Diakoniepfarrer Markus Eisele: „X ist zu einem giftigen Ort geworden“
Die Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach und die Diakonie im Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach haben entschieden, zum neuen Jahr den Social Media Kanal „X“, vormals „Twitter“, zu verlassen und ab sofort auf der Plattform „Bluesky“ präsent zu sein.
Holger Kamlah, Stadtdekan und Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach (ERV), sagt in Anlehnung an die Jahreslosung für 2025, „Prüfet alles und behaltet das Gute“ aus dem ersten Thessalonicherbrief: „Wir haben uns gegen die Plattform ,X‘ entschieden. Kommunikation ist für uns zentral, auch über Social Media“, von „X“ aber wolle man sich verabschieden angesichts der dort zu findenden Verunglimpfungen. Markus Eisele, Diakoniepfarrer und Theologischer Geschäftsführer des ERV, äußert anlässlich des Endes der Präsenz: „,X‘ ist zu einem giftigen Ort geworden, wo ganz gezielt der Zusammenhalt und der Frieden in der Gesellschaft zerstört werden soll. Jedes gute und barmherzige Wort verdampft in dieser Kommunikationshölle.“
Kirche und Diakonie in Frankfurt und Offenbach sehen außerdem die Ankündigung des Meta-Konzerns kritisch, zunächst innerhalb der USA den Fakten-Check auf den Plattformen Facebook und Instagram einzustellen. Gegenseitiger Respekt, Achtung der Menschenwürde, Toleranz, Sachlichkeit und der Einsatz für diese Werte sind bei den Postings auf Social-Media-Plattformen leitend.
@ev-regionalverband.bsky.social
@evangelisch-ffm-of.bsky.social
Interims-Containeranlage neben dem Hauptbahnhof eröffnet am Freitag, 10. Januar
Die Sanduhr auf Anja Wienands Schreibtisch ist schon verpackt. Im Büro der Leiterin der Bahnhofsmission stapeln sich Umzugskartons und dort, wo sonst die Gäste Kaffee trinken, stehen gepackte Kisten. Der Umzug der Bahnhofsmission nach mehr als 125 Jahren im Frankfurter Hauptbahnhof erfolgt, weil im gesamten Südflügel des Bahnhofs eine Sprinkleranlage installiert werden muss. Bis zum Freitag, 10. Januar, wird der Umzug in eine Containeranlage auf dem Parkplatz an der Poststraße in Höhe der Hausnummer 20 abgeschlossen sein und die Bahnhofsmission öffnet wieder wie gewohnt ab 7.30 Uhr. Sechs Monate sind für die Zeit im Interim vorgesehen.
500 Gäste am Tag Rund 180 Umzugskisten und zahlreiche Säcke mit Kleiderspenden werden fünf hauptamtliche Mitarbeitende und Anja Wienand am heutigen Dreikönigstag packen, am Dienstag rollt der Umzugswagen an. Weit fahren muss er nicht, nur auf die andere Seite des Hauptbahnhofs, dicht beim Gleis 24 steht eine doppelstöckige Containeranlage als Interimsdomizil der Bahnhofsmission. Drinnen ist eine kleine Küche installiert, samt Industriespülmaschine. Sie ist wichtig, denn für die rund 500 Gäste, die die Bahnhofsmission im Schnitt pro Tag empfängt, werden rund 500 Tassen Kaffee ausgeschenkt.
Sechs Monate im Interim „Wir haben allen unseren Stammgästen am Wochenende Bescheid gesagt, erzählt Anja Wienand. „Es ist unglaublich, unsere Gäste haben das alle registriert, lediglich zwei Personen haben bisher geklingelt, es herrscht Stille.“ Am Freitag ist die Bahnhofsmission am neuen Standort wieder für ihre Gäste da, 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Die Fläche in den Containern ist etwas größer als die 202 Quadratmeter im Südflügel des Hauptbahnhofs an Gleis 1. Aufenthaltsmöglichkeiten für Frauen und Männer und Kleidung wird es in der Containeranlage ebenso geben wie drei Toiletten – eine für Männer, eine für Frauen und ein WC für Menschen mit Behinderung. Im Obergeschoss im Beratungsraum wird der Video-Dolmetscher stehen, damit Gäste per Video und der Hilfe von Dolmetscher:innen in ihrer Muttersprache beraten werden können. Leitungs- und Verwaltungsbüro, Spinde für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und einen großen Besprechungsraum gibt es ebenfalls. Der Raum der Stille wird allerdings nicht in den Containern realisiert, und auch Duschen wird es keine geben. Alles was nicht ins Interim umzieht, wird im Keller im Südflügel eingelagert, bis zur Rückkehr der Bahnhofsmission an ihren angestammten Ort.
Die Bahnhofsmission Frankfurt Träger der Bahnhofsmission Frankfurt am Main sind die Diakonie Frankfurt und Offenbach sowie der Caritasverband Frankfurt e.V. Die Bahnhofsmission Frankfurt arbeitet seit 127 Jahren und ist nach Berlin die zweitälteste Bahnhofsmission in Deutschland. Mehr lesen Sie hier.