Seit 2009 engagiert sich Seda N. Oeztürk für die Lange Nacht in der Weißfrauen-Diakoniekirche
Seda N. Oeztürk greift nach ihrem schweren Schlüsselbund und sucht den Schlüssel mit dem blauen Ring heraus. Mit zwei Umdrehungen öffnet sie die Tür zur Weißfrauen-Diakoniekirche im Frankfurter Bahnhofsviertel. Noch sieben Tage bis zur Langen Nacht am Heiligen Abend, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Eine Nacht, die Herzen öffnet Für Seda N. Oeztürk, deren Vorname Nurhayat, „Lebenslicht“ bedeutet, ist es eine ganz besondere Nacht. Denn seit 2009 verbringt sie den Heiligen Abend nicht im Kreise ihrer Familie, sondern in der Weißfrauen-Diakoniekirche. Sie gehört seit vielen Jahren zum Team, das die Lange Nacht am Heiligen Abend organisiert. Beim ersten Mal, im Dezember 2004, sollte niemand aus dem warmen Weihnachtsgottesdienst in der Diakoniekirche in die Kälte zurückkehren müssen, sondern die Kirche sollte für alle, die bleiben wollten, die ganze Nacht über geöffnet bleiben. Mit Essen und Musik und einem Platz zum Übernachten.
Rindergulasch, Putenragout und Linsen-Dal Seda N. Oeztürk erzählt, wie es mit belegten Brötchenhälften anfing, für 30, 40 Leute. Mittlerweile ist sie für das Catering zuständig und aus den belegten Brötchen der Anfangsjahre ist ein richtiges Menü geworden: Rindergulasch mit Klößen, feines Putenragout in Champignonsauce mit Bandnudeln, veganes Kichererbsen-Linsen-Dal mit Zucchini und Pita-Brot oder eine gemischte Gemüseplatte. Mehr als 300 Portionen hat sie geordert. „Die Planung hängt von vielen Faktoren ab“, sagt sie. „Je kälter es ist, desto mehr Menschen kommen. Und in Krisenzeiten kommen oft auch Familien oder ältere Menschen, die einen sicheren und warmen Ort suchen.“
Ein starkes Team für eine große Aufgabe Die Lange Nacht wird von rund 90 Freiwilligen getragen. „Wir sind ein eingespieltes Team, und auch Neue finden schnell ihren Platz“, sagt Seda. Die Helfer stammen aus vielen Nationen und haben die unterschiedlichsten Hintergründe: Mitarbeitende aus der EZB, Künstler:innen oder Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, deren Kinder jedes Jahr liebevoll Tischsets gestalten und Kerzengläser verzieren. „Diese Vielfalt spiegelt den Geist der Langen Nacht wider: Jeder ist willkommen, und jeder bringt sich ein“, sagt Seda mit einem Lächeln.
Ein Kindheitsmoment prägt bis heute Seda erinnert sich, wie sie als muslimisches Mädchen im Krippenspiel die Rolle des Josef übernahm. „Meine Eltern waren in ihrem Glauben so gefestigt, dass es für sie keine Bedrohung darstellte, ich durfte mitmachen, einfach dabei sein“, erzählt sie lächelnd. Diese Offenheit prägt auch ihr Engagement in der Langen Nacht in der Weißfrauen-Diakoniekirche: „Es ist die Atmosphäre, die mich Jahr für Jahr zurückbringt – die Wärme, die Ruhe, die Gespräche mit den Gästen.“
Dankbarkeit, die bleibt Gegen Mitternacht geht Seda N. Oeztuerk nach Hause, schläft ein paar Stunden und ist am frühen Morgen wieder zurück, um das Frühstück mit vorzubereiten. Was sie besonders berührt, ist die Dankbarkeit der Menschen: „Viele unserer Gäste leben seit Jahren auf der Straße und haben oft das Gefühl, nicht respektvoll behandelt zu werden. Hier begegnen wir ihnen mit Würde und einem offenen Herzen.“ Für Seda und das gesamte Team ist die Lange Nacht viel mehr als eine Wohltätigkeitsaktion. „Es ist ein Ort, an dem Menschlichkeit spürbar wird. Man bekommt so viel zurück, wenn man gibt.“
Lange Nacht am Heiligen Abend ab 17.30 Uhr in der Weißfrauen-Diakoniekirche Am 24. Dezember um 17.30 Uhr öffnet die Weißfrauen-Diakoniekirche im Frankfurter Bahnhofsviertel, Gutleutstraße 20 /Ecke Weserstraße, der festliche Weihnachtsgottesdienst beginnt um 18 Uhr. Ab 19 Uhr gibt es ein leckeres Weihnachtsessen, von 21.30 Uhr an spielt Fred Lohre Folkmusik. Wer kein Obdach hat, kann in der Kirche übernachten. Das Weihnachtsfrühstück am Mittwoch, 25. Dezember, beginnt um 8 Uhr, die Kirche schließt um 10 Uhr. Der Evangelische Regionalverband Frankfurt und Offenbach lädt zusammen mit einem Team aus rund 90 Ehrenamtlichen und vielen Förderern zur Langen Nacht am Heiligen Abend ein, die 2004 zum ersten Mal gefeiert wurde. Rund 300 Besucher:innen werden erwartet.