Sozialministerin übergibt im Nachbarschaftsbüro Fechenheim einen Förderbescheid für die Gemeinwesenarbeit
Die Hessische Ministerin für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales (HMSI), Heike Hofmann, übergab am 23. Februar im Nachbarschaftsbüro in Alt-Fechenheim einen Bescheid in Höhe von bis zu 307.000 Euro für die Stadt Frankfurt. Mit dem Geld soll die Gemeinwesenarbeit in Fechenheim und dem Gutleutviertel gefördert werden. Nanine Delmas, Leiterin des Jugend- und Sozialamtes, nahm für die Stadt den Bescheid entgegen. An ihrer Seite fanden sich Vertreter der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Diakonie Frankfurt und Offenbach. Die AWO betreibt im Gutleutviertel ein Nachbarschaftsbüro, die Diakonie eines mit zwei Standorten in Fechenheim.
Henrik Philipsen, der bei der Diakonie als Bereichsleitung für das Quartiersmanagement zuständig ist, würdigt die Förderung durch das Land: „Die Diakonie freut sich über die Wertschätzung der hessischen Landesregierung, die mit der Förderung der Gemeinwesenarbeit im Stadtteil Fechenheim zum Ausdruck kommt. Sie leistet damit einen wertvollen Beitrag, Herausforderungen wie sozialer Ungleichheit, Armut, mangelnden Bildungschancen, Segregation und Isolation im Nachbarschaftsraum zu begegnen.“
Ministerin will hören, was im Quartier los ist Die Ministerin war nicht nur zur Übergabe des Förderbescheids gekommen, sondern wollte auch wissen, was in den Quartieren los ist. Im Gespräch mit den Vertreter:innen der Stadt, der Träger der Nachbarschaftsbüros und den Quartiersmanager:innen kristallisierten sich schnell zwei Schwerpunkte heraus: der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft sowie die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt.
Ministerin Hofmann (li.) im Gespräch mit den Vertreter:innen der Stadt, der Träger der Nachbarschaftsbüros und den Quartiersmanager:innen.
Nikolaos Tsakmakis, der mit einer Kollegin Quartiersmanager in Fechenheim ist, berichtete von Bedrohungen und Anfeindungen von rechts. „Hier in Fechenheim haben Menschen Angst, ihre Meinung zu sagen, oder sie trauen sich nicht, über Missstände zu reden.“ Eine Initiative, die sich gegen den Autobahnausbau bei Fechenheim und für den Erhalt eines Waldes einsetzt, habe Drohschreiben erhalten. Eine Tafel, die an die Deportation von Sinti und Roma im Dritten Reich erinnert, sei beschmiert worden. Auch die Ortsgruppe der „Omas gegen Rechts“, die mit dem Nachbarschaftsbüro kooperiert, würde angefeindet.
Menschen schützen, die sich für die Demokratie einsetzen Tsakmakis und seine Kollegin Friederike Weyh aus dem Gutleutviertel betonten beide die Bedeutung der Beziehungs- und Vernetzungsarbeit in den Quartieren, besonders dort, wo Menschen aus vielen Kulturen leben und unterschiedliche Sprachen sprechen. Die Quartiermanagements arbeiteten daran, Menschen zusammenzubringen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. So würden auch gegenseitige Vorurteile abgebaut. Mit Ministerin Hofmann waren sich alle Gesprächspartner:innen einig, dass Projekte zur Demokratie unverzichtbar sind und Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen, geschützt werden müssen.
Freilich braucht es dazu Begegnungsräume. Die fehlten in den Quartieren. „Im Gutleutviertel gibt es keine Räume, wo man sich kostenfrei treffen kann“, beklagte Friederike Weyh. In Fechenheim wird die sozialräumliche Benachteiligung anhand der verkehrsbedingten Trennung des Stadtteils in Nord und Süd besonders deutlich, die es den Bewohner*innen erschwert, zueinander zu finden. „Doch es braucht Plätze für die Gemeinschaft und Gelegenheiten, sich zu treffen“, bekräftigte Nikolaos Tsakmakis. Gibt es erst einen solchen Ort, so seine Erfahrung, würden sich die Leute gut um die Ordnung, Sauberkeit und die Organisation kümmern.
Menschen mit geringem Einkommen finden keine Wohnung Große Sorgen bereitet auch die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Einerseits würden Menschen mit geringem Einkommen kaum bezahlbare Wohnungen finden, andererseits gebe es Leerstand, der als Kapitalanlage dient. „Wir wissen von einer Räumungsklage gegen einen 80-Jährigen, der seit Jahren in der Wohnung lebt“, sagte Sozialamtsleiterin Delmas. Die Politik müsse sich des Wohnproblems endlich annehmen, forderten die Gesprächspartner:innen der Ministerin unisono. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum nannte Hofmann dann auch „die zentralste soziale Frage der Zeit“. Sie sei selber über den Rückgang des sozialen Wohnungsbaus unzufrieden. Hier müsse sich in der Tat etwas ändern, sagte die Ministerin und verwies darauf, dass ein Gesetz zum Wohnungsleerstand in Arbeit sei.
Am Ende des Gesprächs zeigte sich Heike Hofmann bewegt. „Wir brauchen Zuversicht“, sagte sie und dankte den Quartiersmanger:innen und den Trägern der Nachbarschaftsbüros für die wertvolle Arbeit in den Quartieren. „Hier wird schon an einer besseren Gesellschaft gearbeitet“, unterstrich die Ministerin.
Webseite des Quartiersmanagements Fechenheim