Evangelisches Beratungszentrum Offenbach
Nichts hilft gegen Vorurteile und Fake News so gut wie Gespräche mit Experten. Zum Beispiel David Mayer (im Bild unten) von der Schuldnerberatung des Evangelischen Zentrums für Beratung in Offenbach, der letzten Station der Sommertour. „Es ist nur eine winzige Minderheit, die mit Geld nicht umgehen kann. Die allermeisten Menschen geraten durch Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung, gescheiterte Selbständigkeit oder Krankheit in die Schuldenfalle“, sagt der junge Mann. Und weil auch ihm das hässliche Wort „Sozialschmarotzer“ geläufig sein dürfte, fügt er hinzu: „Diese Menschen tun alles, um ihre Schulden loszuwerden. Manche sparen sich die Rückzahlungen buchstäblich am eigenen Leibe ab, Hauptsache, der Schuldendienst wird bedient.“
David Mayer und seine Kolleginnen und Kollegen helfen, Wege aus der Schuldensituation zu finden. Die Schuldnerberatung, übrigens die einzige im Evangelischen Regionalverband, ist nur eines der Angebote des Beratungszentrums. Außerdem gehören die Allgemeine Lebensberatung und die Migrationsberatung für Erwachsene dazu. Um auch hier mit einer Fehlinformation aufzuräumen: Migrationsberatung kümmert sich nicht um Flüchtlinge, sondern um Menschen ab 27 Jahren, die in Deutschland eingewandert sind und sich hier eine Existenz aufbauen. Das Arbeitsfeld gleicht dem der Allgemeinen Lebensberatung, die bei allen möglichen Problemlagen im Leben bis hin zum Umgang mit Tod und Trauer in Anspruch genommen werden kann. Bei der Migrationsberatung kommen noch ausländerrechtliche Fragestellungen hinzu.
Der Beratungsbedarf ist riesengroß. „Wir werden geradezu überrannt“, sagt Einrichtungsleiter Michael Franke. Aber es gibt nicht genug Stellen, und auch die öffentliche Förderung reicht nicht aus. Selbst im Fall der Schuldnerberatung, die vergleichsweise finanziell gut ausgestattet ist, muss der Träger, sprich: die Diakonie, Geld zuschießen. Schon wieder das Thema, immer wieder geht es um Geld und Stellen.
Die Gäste aus Frankfurt sitzen mit den Gastgeber:innen auf einer Picknickdecke am Rande einer kleinen Wiese, umgeben vom Beratungszentrum, der Offenbacher Schlosskirche, die anders, als der Name vermuten lässt, ein moderner Bau ist, dem Gebäude der Familienbildung und einem Kindergarten. ERV-Geschäftsführer Thomas Speck fragt nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der Beratungs- und Bildungsarbeit. Die sind eher gering, lautet die Antwort aus dem Team, weil die Bildungsarbeit Fragestellungen eher allgemein behandelt und in der Beratung sehr konkrete Nöte zur Sprache kommen. Außerdem dürfe man den Faktor Scham nicht unterschätzen. „Viele Leute schämen sich, weil sie Hilfe brauchen. Das wollen sie nicht auch noch öffentlich behandelt wissen“, sagt David Mayer.
Zu guter Letzt: Hitze und Wärme
Am Ende des Tages regnet es ein wenig. Doch es kühlt nicht ab. Die Hitze des Tages hat den radelnden Männern und Frauen der ERV-Verbandsleitung und des Dekanakollegiums mächtig zugesetzt. Ihnen ist aber auch auf andere Weise warm geworden. ERV-Geschäftsführer Markus Eisele zieht für alle eine Bilanz:
„Wir haben heute eine beeindruckende Vielfalt kirchlicher und diakonischer Arbeit kennengelernt. Ohne unsere hochmotivierten, ja charismatischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich hingebungsvoll für Menschen jedes Alters einsetzen, wäre der Zusammenhalt in unserer auseinanderdriftenden Gesellschaft mehr als gefährdet. Ohne Übertreibung ist uns warm ums Herz geworden, soviel Engagement zu erleben. Umso mehr ärgert mich, dass viele dieser Angebote von der öffentlichen Hand völlig unzureichend und nicht kostendeckend finanziert sind. Weitere Kürzungen treffen am Ende vor allem die, die am meisten auf Hilfe angewiesen sind. So riskieren wir den sozialen Frieden und damit auch unsere Demokratie.“
Die anderen Teile der Serie:
Sommertour 1: Mit dem Fahrrad zu den Menschen
Sommertour 2: Arbeit in einer „geteilten“ Stadt
Sommertour 3: „Wir sind hier im Viertel zuhaus“
Sommertour 4: Kindern Gutes tun
Sommertour 5: Neue Kita im Aufbruch
Hier gibt es die gesamte Reportage als pdf-Datei