Eine neue Broschüre gibt Einblicke in die alternative Lebenswelt, die Geschichte und Gegenwart von Schaustellern und Schrotthändlern, Zirkusartisten und Puppenspielern, die seit bald 70 Jahren auf dem Gelände in Eschersheim leben.
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Zur Wohngemeinschaft Bonameser Straße
Dieter Gärtner ist der älteste Bewohner der Wohngemeinschaft Bonameser Straße und einer der wenigen Zeitzeugen, der bereits in der Anfangszeit auf dem Wohnwagenstandplatz lebte. In der neu erschienen Broschüre über die Wohngemeinschaft Bonameser Straße gibt Dieter Gärtner Einblicke in sein Leben und das seiner Familie.
„Wir haben für Jahre investiert. Wir mussten uns Raupen, Bagger und anderes teures Gerät kaufen, da wir ohne diese Maschinen nicht arbeiten konnten“, erzählt er. Dieter Gärtners Familie war im Altstoffhandel tätig und konnte damit der eigenen Familie und zeitweise auch anderen Familien den Lebensunterhalt sichern. Bereits die Vorfahren waren als Geschäftsleute im Handel tätig. Auch Artisten und Schausteller befinden sich darunter. Sie kamen nach Ende des Zweiten Weltkrieges aus den Ostgebieten Deutschlands nach Frankfurt am Main.
Dank einer Kreisfürsorgerin, die seiner Mutter ein tadelloses Zeugnis ausstellte, blieb einem Teil der Familie im Nationalsozialismus der Transport in ein Konzentrationslager erspart. Viele Menschen, die auf dem Wohnwagenstandplatz strandeten, waren im Nationalsozialismus verfolgt worden, sie trugen Traumata in sich. Gärtners Mutter hatte den Vater ihrer Kinder wegen der Rassegesetze nicht heiraten können – er war Sinto. 1938 wurde er „aus politischen Gründen einem Konzentrationslager zugeführt“, so steht es auf einer offiziellen Bescheinigung, mit der Rosanda Gärtner 1945, damals 33 Jahre alt, als Opfer des Faschismus anerkannt wurde. Seine älteren Brüder, erzählt Dieter Gärtner, seien von den Nazis zwangssterilisiert worden.
Dieter Gärtners Geschichte ist kein Einzelfall. Seit Generationen werden die Fahrenden von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt, da diese das Ideal der Sesshaftigkeit in Frage stellen, was von der fest ansässigen Gesellschaft als bedrohlich empfunden wird. Bis heute werden ambulante Gewerbetreibende oft unter dem Begriff „Zigeuner“ gefasst und diskriminiert.